6 Minuten Lesezeit (1106 Worte)
Empfohlen 

Was Autoren so alles tun...

Es ist immer wieder amüsant, welche Vorurteile mit dem Autorenberuf verknüpft werden. Ich gebe hier mal einige, erst kürzlich gehörte, zum Besten:

1. Autoren verarbeiten die eigene Familie und Freunde bzw. Bekannte in ihren Werken

An alle, die mich kennen:
Ähnlichkeiten mit euch sind weder zufällig noch unbeabsichtigt. Wie sonst soll ich mich für eure kruden Eigenheiten rächen?
Mal im Ernst – welcher Autor verfügt schon wie Thomas Mann über eine illustre Verwandtschaftssippe, die sich in einen Roman einflechten lässt, ohne gähnende Langeweile beim Leser auszulösen? Bezogen auf meine Romane kann ich alle beruhigen:
Meine Mutter ist nicht paranoid, mein Vater kein Einzelkämpfer und bedauerlicherweise muss mein Mann mangels elementarkinetischer Fähigkeiten das Kaminfeuer weiterhin mit dem Feuerzeug entfachen. Meine paranormalen Gaben lassen ebenfalls zu wünschen übrig, sieht man davon ab, dass diverse Stifte schon mal aerodynamische Kräfte über meinem Schreibtisch entwickeln, besonders wenn die ein- oder andere Szene so überhaupt nicht aufs Papier will.
Und abgesehen von diversen schlaflosen Nächten bei Vollmond (oh Gott, in mir schlummert doch hoffentlich kein Werwolf, gerade jetzt, wo alle Welt tönt, Vampire und Werwölfe seien nicht mehr gefragt), konnte ich keine abnormen Eigenschaften feststellen.

2. Kinder- und Jugendbuchautoren belauschen ihren Nachwuchs und deren Freunde, um Stoff für ihren Roman zu bekommen

Meine Kinder erzählen mir beim Mittagessen freiwillig so viele spannende Dinge über ihre Mitschüler und Lehrer, die Essensqualität am Pausenstand und die Typen in den öffentlichen Verkehrsmitteln, um von Mamas lästigen Fragen wie „Ja, was war denn nun mit deinem Englisch-Referat?“ oder „Und welche Note hast du jetzt in Mathe bekommen?“ abzulenken, dass ein Belauschen sich erübrigt. Ich räche mich an ihren konzertierten Ablenkungsmanövern, indem ich sie für ein erstes Lektorat in meine laufende Arbeit einspanne. Okay, Kinderarbeit ist verboten, ich weiß. Aber erfrischend ehrliche Kommentare wie „Mama, das heißt heutzutage Club und nicht Disco!“ oder „Was ist denn das für ein 90er Jahre Ausdruck? So redet doch kein Mensch!“ helfen einem dann doch, die eine oder andere Peinlichkeit auszumerzen. Danach zähle ich ihre Smileys am Seitenrand und die Welt ist wieder in Ordnung.

3. Autoren schreiben besonders gut zu unorthodoxen Zeiten, z.B. früh am Morgen oder spät nachts

Der frühe Vogel kann... Nein, ich will nicht gleich ausfallend werden, aber zu der Frühaufsteherfraktion gehöre ich definitiv nicht. Da freunde ich mich doch lieber mit den Nachteulen an. Ja, manchmal wird es spät. Meist dann, wenn ich besonders romantische Szenen mit Dialogen schreibe. Welcher herzlose Autor lässt auch seinen Griffel um Schlag 22:00 Uhr fallen, während sein Romeo gerade der liebreizenden Julia seine Liebe gesteht. Noch schlimmer sind die Actionszenen. Da läuft in meinem Kopf als Ohrwurm der „Docking-Soundtrack“ von Interstellar, ich leide mit dem von allen Seiten bedrohten Helden mit und die Protagonisten entwickeln auf einmal ganz unerwartet eine Eigendynamik und wenden sich gegen mich. Im Ernst. Das ist dann, als würde man einen Film sehen, den man für vorhersehbar hält, alles geplant, alles bestens konstruiert und im Exposé festgehalten. Und plötzlich ist man einem Feuerwerk von Ideen ausgesetzt, wie man der Szene eine unerwartete Wende verleihen kann, warum der Protagonist X sich doch noch als Feind herausstellt oder wie der Held buchstäblich über dem Abgrund schwebt, bevor er es in letzter Sekunde schafft, sich zu retten.
Und Schnitt, ich schaue auf die Uhr und hoffe inbrünstig, sie ist am Nachmittag stehengeblieben. Das bringt mich dann gleich zu Punkt vier.

4. Autoren trinken Unmengen von Kaffee, um nicht vor dem Rechner einzuschlafen

Der Euphorie über die kreativen Geistesblitze einer oben beschriebenen Nacht folgt dann mit dem Weckerklingeln um Punkt sechs die große Ernüchterung. Der Soundtrack von Interstellar hat sich unerklärlicherweise in Mozarts sanftes Klarinettenkonzert aus „Out of Africa“ verwandelt, der Regen pocht einschläfernd gegen die Scheiben und ich ertappe mich dabei, dass ich den Satz „Es wäre so schön, einfach in dem warmen, gemütlichen Taxi zu bleiben.“ bereits dreimal gelesen habe und noch nicht wirklich weiter gekommen bin. Ich gebe zu, mein Kaffee- und Schwarzteekonsum liegt an solchen Tagen weit über dem Durchschnittsverbrauch von zwei bis drei Tassen am Tag.

5. Ein guter Autor schreibt sofort eine endgültige Fassung und muss nichts überarbeiten

Stephen King sagte dazu: „Nach sechs Wochen Erholung werden Ihnen auch die gähnenden Löcher in der Handlung oder in der Figurentwicklung auffallen. Damit meine ich Löcher, durch die ein Lastwagen fahren könnte.“
Ich fürchte, mir geht es ähnlich. Schreiben ist für mich ein bisschen wie Malen. Die ersten Entwürfe und Skizzen entsprechen dem Exposé, die Lasur und grobe Verteilung der Farben, der ersten Rohfassung. In dieser Phase will ich vor allem meine Ideen zu Papier bringen, die Geschichte in Gang halten. Wie ein Maler immer wieder über einzelne Bereiche seines Bildes malt, um Feinheiten herauszuarbeiten, Licht und Schatten zu verteilen, so feile ich am Text, an einzelnen Formulierungen, Dialogen und Beschreibungen. Ist der Roman fertig, lese ich noch ein- bis zweimal alles am Stück durch und streiche dabei oft ganze Szenen oder arbeite sie um, bevor ich das Manuskript mehrere Wochen liegen lasse, um Abstand zu gewinnen. Alles perfekt. Und dann rollen bei einem erneuten Lesen tatsächlich die Lastwagen durchs Manuskript.

6. Kinder- und Jugendbücher sind einfacher zu schreiben, als Bücher für Erwachsene 

Nein. Es ist anders, aber nicht einfacher. Man muss sich in seine Leser genauso hineinversetzen wie in der Erwachsenenliteratur. Das fängt schon bei der Sprache an. Ein Roman für Zehnjährige verwendet ganz sicher eine andere Sprache als ein Roman für Mädchen ab vierzehn. Brutalität und Handlung müssen auf das Alter abgestimmt werden. Aber vor allem muss man Anteil an dem haben, was Kindern/Jugendlichen so gefällt. Sprich: Es muss einen selbst interessieren. 
Und das tut es. Ich kann mich noch sehr gut an die Zeit erinnern, als ich selbst mit der Taschenlampe unter der Bettdecke Bücher verschlungen habe, weil meine Mutter der Meinung war, ich bräuchte mehr Schlaf. Ausgerechnet in den spannendsten Szenen! Genau das will ich mit meinen Romanen auch erreichen. Ihr sollt sie - wie damals ich - begeistert am Rand vollkritzeln mit Bemerkungen oder Smileys, in Gedanken die Handlung weiterspinnen, oder sogar Fanfiction schreiben.
Ich erinnere mich an beste Freundinnen und Zickenkriege. Und glücklicherweise weiß ich auch nach vielen Ehejahren noch, wie aufgeregt ich vor dem ersten Tanzkurs und bei dem ersten Date war, oder wie es sich anfühlte, Schmetterlinge im Bauch zu haben. Mit meiner Tochter diskutiere ich bei Strandspaziergängen über die "Chroniken der Unterwelt" und mit meinen Jungs lese ich abends Agentengeschichten. Und ich finde nichts schöner, als zu sehen, dass ich das Viellese-Gen offensichtlich an meine Kinder vererbt habe. 

Welche Gerüchte über Autoren sind euch schon begegnet? Helft mir, die Liste zu erweitern!

 

 

Wenn Sie diesen Beitrag kommentieren oder abonnieren möchten, stimmen Sie den Nutzungsbedingungen zu.

 

Ähnliche Beiträge

 

Kommentare

Derzeit gibt es keine Kommentare. Schreibe den ersten Kommentar!
Bereits registriert? Hier einloggen
Gäste
Mittwoch, 13. November 2024

Sicherheitscode (Captcha)

By accepting you will be accessing a service provided by a third-party external to https://renafischer.com/


Copyright © 2015-2020 by Rena Fischer